Heute geht’s mal auf
Deutsch weiter hier in dem Blog - muss auch mal sein. Heute wird’s übrigens
auch ein wenig politischer bzw. es geht Richtung Wirtschaft. Wer also eine
Meinung hat, die mit meiner nicht oder nur in Teilen übereinstimmt: Schreibt
mir, ich will debattieren!
Zum Thema: Es
geht um Kapitalismus und Finanzmärkte. Für alle, die sich fragen, warum ich
darüber schreibe – naja, ich bin halt doch studiengangmäßig vorgeprägt in die
Richtung. Und das Thema ist einfach verdammt komplex und interessant. Was also
ist Kapitalismus erst einmal? Wenn wir bei Marx nachlesen, zeichnet sich der
Kapitalismus durch ein Zwei-Klassen-System aus, in dem die Bourgeoisie („Kapitalisten“)
das Kapital besitzt und das Proletariat („Arbeiterklasse“), das die
Arbeitskraft besitzt, ausbeutet. Nach Marx wird dieses Gesellschaftssystem
schließlich dazu führen, dass sich das Proletariat gegen die Bourgeoisie wendet
und es zum „Klassenkampf“ kommt, was den Kapitalismus im Endeffekt zu seinem
eigenen Totengräber macht, da dieser quasi seine eigene Zerstörung schafft.
Soviel zur (sehr kurz zusammengefassten) Theorie von Marx.
Weiterhin
zeichnet sich der „Grad“ des vorhandenen Kapitalismus dadurch aus, wie frei auf
Märkten operiert werden kann – je freier die Märkte, desto höher der Grad des
Kapitalismus. Für alle Nicht-Ökonomen unter meinen Lesern sei an dieser Stelle
gesagt: „Die Märkte“ oder „der Markt“ bezeichnen/t einen Ort, an dem Angebot
und Nachfrage aufeinander treffen und es zum Handel von knappen Gütern kommt. Märkte
erfüllen unter anderem eine Preisbildungsfunktion und Allokationsfunktion sowie
die Erschaffung von Produzenten- und Konsumentenrenten, wobei letztere – kurz
gesagt – den Nutzen für Konsumenten und Produzenten ausdrücken, die ein Gut für
einen Preis über dem Marktpreis gekauft oder unter dem Marktpreis produziert
hätten. Insgesamt gesehen sind Märkte also der vermutlich essentiellste
Bestandteil des Kapitalismus, da sie erst zur Verteilung von Gütern und dem
Entstehen von Profit führen. An dieser Stelle sei einer meiner Dozenten
sinngemäß zitiert: „Wenn es keine Märkte gäbe, man müsste sie erfinden, so
großartig sind sie.“
Wie wir also
gerade eben gesehen haben, ist der Kapitalismus laut Marx also etwas Böses, das
es zu vermeiden gilt, da er sich selbst auslöschen wird und zu einer Phase der
Instabilität führen wird. Auf der anderen Seite ist da die Beschreibung der
Märkte, deren Preisbildungs- und Allokationsfunktion sowie die Schaffung von
Renten für Produzenten wie Konsumenten in einem kommunistischen System außer
Kraft gesetzt werden – schließlich gibt es kein privates Produktionskapital
mehr und dementsprechend z.B. auch keine Produzenten, die für einen günstigeren
Preis als den Marktpreis ihre Güter anbieten würden, weil sie z.B. effizienter
arbeiten als andere Firmen. Hier bietet sich also ein Zwiespalt zwischen Marx‘
Theorie und der Theorie, dass Märkte etwas Gutes sind. Was aber ist „korrekt“?
Meiner Antwort auf diese Frage lautet: Wir werden es nie wissen! Ich weiß, dass
viele an dieser Stelle ein Statement Richtung „Marx kann man in die Tonne
kloppen“ erwartet haben, aber nein, ganz so extrem kann und will ich das nicht
sehen. Ich meine, ja, ich bin ein extremer Kapitalismus-Befürworter, aber wer
weiß? Marx sagt ja, dass es „schlussendlich“ zum Klassenkampf und der
Zerstörung des Kapitalismus kommen wird. Wann ist „schlussendlich“? (Oder für
manch anderen ausgedrückt: Wie lang ist der Longrun?) Wir wissen es nicht.
Vielleicht hat der alte Mann ja doch Recht. Trotzdem sehe ich die „kurzfristigen“
(selbe Frage, eine wie lange Zeitspanne kann man noch „kurzfristig“ nennen?)
Effekte des Kapitalismus mehr als positiv. Im Prinzip könnte man es auf die
einfache Gleichung „größere Produzenten- & Konsumentenrente = größere
Gesamtwohlfahrt“ herunterbrechen. Durch das Bestehen von freien Märkten im
Kapitalismus entstehen positive Effekte für die gesamte Gesellschaft, ganz im
Sinne von Adam Smiths „unsichtbarer Hand“, einer Theorie, die im Grunde besagt,
dass ein egoistisches Verhalten der Marktteilnehmer für eine Verbesserung der
Situation für alle führt – z.B. backt ein Bäcker keine Brötchen, weil ihm
gerade danach ist, sondern weil er damit persönlich Profit machen will.
Gleichzeit versorgt er damit aber die anderen Menschen mit Brötchen und schafft
damit eine erweiterte Nahrungsvielfalt. Dementsprechend bin ich der Meinung,
dass Märkte (mit ein paar wenigen Einschränkungen) so frei wie nur möglich sein
sollten.
An dieser Stelle
wollen vermutlich einiger meiner eher links geprägten Freunde einhaken, dass „zu
freie“ Märkte zu einer „hire & fire“-Kultur wie in den USA führen können
und dass freie (Arbeits-)Märkte zur Ausbeutung von Arbeitern und zu unnötigen
Kündigungen führen, die nur dazu da sind, um den Profit der Firmen zu erhöhen.
Weiterhin werden einige argumentieren, dass Märkte reguliert werden müssen, um Monopole
oder Preisabsprachen zu verhindern oder externe Effekte zu internalisieren.
Letzterem Punkt möchte ich übrigens zustimmen, obwohl ich nicht gerade
besonders "grün" bin, sollten Firmen, die besonders hohe Mengen an
Schadstoffen ausstoßen auch an den Kosten für die Umwelt beteiligt werden.
Abschließend möchte
ich also festhalten, dass für mich die positiven Effekte freier Märkte
überwiegen, auch wenn es – gerade im Bereich Umweltpolitik – Bedarf gibt, in
die Märkte einzugreifen. Kapitalismus ist also keineswegs „die Wurzel alles
Bösen“ oder ähnliches, vielmehr ist es das vermutlich effizienteste
Wirtschaftssystem, das die Welt aktuell kennt.
Spezialgebiet Finanzmärkte
Jetzt aber zum
anderen Thema dieses Eintrags: Finanzmärkte. Wie oben erwähnt, bin ich ein Fan
freier Märkte. Gerade die Finanzmärkte sind seit 2008 aber stark unter Beschuss
geraten und viele der Politiker, von denen man es erwarten würde (in anderen
Worten, aus dem roten Bereich), fordern überaus strikte Regeln für das
Verhalten von u.a. Banken, Versicherungen und Hedgefonds. Der Krieg gegen die „bösen
Spekulanten“ und „Heuschrecken“ wird von links mit ziemlich offenem Visier
geführt. Allerdings mehren sich auch in Parteien wie z.B. der CDU die Stimmen,
die sagen „So kann es nicht weitergehen.“ Wobei auch hier immer die Frage im
Raum steht, ob das wirklich die Meinung der Politiker wiedergibt oder ob da
doch nur dem Wähler nach dem Mund geredet wird.
Stimmt das aber
wirklich, macht es Sinn, z.B. bestimmte Finanzprodukte, Akteure oder
Handelsarten zu verbieten? Ich finde: Größtenteils nein. Naja, ein Beispiel
gibt es, das ich einfach geschmacklos fand, nämlich als ein Finanzprodukt auf
die Lebenserwartung bestimmter Personen in einer Testgruppe angeboten wurde.
Aber sonst? Schauen wir uns einmal ein paar Beispiele an.
Leerverkäufe:
Gerne wird von Politikern ein Verbot von Leerverkäufen von Aktien gefordert.
Bei Aktien-Leerverkäufen leiht sich ein Marktteilnehmer, der auf fallende Kurse
setzt, Aktien von einem anderen Marktteilnehmer, der die Aktien dieser Firma
besitzt. Diese geliehenen Aktien verkauft der Leerverkäufer dann zum aktuellen
Kurs, z.B. 100€. Zu einem späteren Zeitpunkt muss er die Aktien an denjenigen,
der ihm die Aktien geliehen hat, zurückgeben, dafür muss er also wieder Aktien
kaufen. Hatte er Recht und der Kurs ist auf z.B. 80€ gefallen, macht er einen
Profit von 100-80=20€ abzüglich der Prämie, die er für das Ausleihen der Aktien
gezahlt hat. Steigt dagegen der Kurs auf 120€ muss er einen Verlust von 20€
plus der Prämie hinnehmen.
Kritiker sagen,
Leerverkäufe würden die Preise der Aktien künstlich drücken und deshalb sollte
man sie verbieten. Kurzfristig mag das auch stimmen, allerdings gilt es
folgendes zu bedenken: Am Ende der Ausleihfrist müssen die Aktien ja auch
wieder gekauft werden, um den Vertrag mit dem Verleiher erfüllen zu können,
wodurch der Preis wieder steigt. Der Effekt der fallenden Preise ist also nur
von temporärer Natur.
Hedgefonds: Sie
stehen gerne im Zentrum der Kritik, da sie in fast jedem eintretenden Fall zu
Sündenböcken gemacht werden können. Zur Einordnung zunächst eine kurze
Erläuterung: Hedgefonds sind Investmentfonds, die ihr Geld allerdings nicht –im
Vergleich zu den „normalen“ Fonds, die man bei Sparkassen und ähnlichem
angeboten bekommt – nur in Aktien, Anleihen und Devisen anlegen, sondern auch
derivative Finanzprodukte benutzen, um zum einen Risiken abzusichern (englisch „to
hedge“, ergo Hedgefonds) und zum anderen über Fremdfinanzierung Hebelwirkungen
zu erzielen, die zu höheren Renditechancen, aber auch Risiken führen. Verlieren
Hedgefonds also Geld, wird gerne ein zu hohes Risiko angeprangert („Das musste
ja schiefgehen“), verdienen sie Geld, wird kritisiert, dass sie Finanzprodukte
benutzen, die kein Mensch versteht und – besonders in Phasen, in denen
Hedgefonds bei fallenden Märkten Geld machen – dass sie ihr Geld mit „Finanzwetten“
auf dem Rücken der Firmen aus der Realwirtschaft machen. Egal wie das Geschäft
für einen Hedgefonds also läuft, schlechte Presse ist ihm immer gewiss.
Außerdem werden Hedgefondsmanager gerne für ihre üppigen Gehälter kritisiert,
dabei ist gerade das für mich der Hauptgrund, in einen Hedgefonds zu
investieren: Wenn ein Hedgefonds Verlust macht, fällt eine deutlich kleinere
Managementgebühr an als bei anderen Investmentfonds, diejenige bei Gewinn ist
allerdings deutlich höher – damit haben die Manager selbst das größte Interesse
daran, dass der Hedgefonds profitabel ist und Gewinn macht und werden nie den
Fonds einfach „laufen lassen“ wie man es vielleicht bei anderen Fonds vermuten
könnte, die eine fixe jährliche Managementgebühr verlangen.
Sollte man also
Hedgefonds verbieten? Ich finde nicht, schließlich sind sie im Prinzip nur eine
weitere Möglichkeit, sein Geld anzulegen. Wem das Investieren in Derivate zu
spekulativ ist, der kann ja immer noch einen Sparkassen-Fonds wählen. (Davon
abgesehen, dass die Mindestinvestition in einen Hedgefonds es für die meisten
Normalsterblichen unmöglich macht, dort überhaupt Geld anzulegen)
Computerbasierte
Handelssysteme und Hochfrequenzhandel: Hierbei geht es um Software, die in
Kursverläufen von z.B. Aktien nach bestimmten Mustern sucht und dementsprechend
selbstständig diese Papiere kauft und verkauft ohne dass ein Mensch diese
Aktionen auslösen oder bestätigen muss. Außerdem wird nach sogenannten „Arbitragemöglichkeiten“
gesucht. Wird also eine Aktie z.B. an der Börse Stuttgart für r40,70€ gehandelt
und an der Börse Frankfurt für 40,72€, macht es Sinn, in Stuttgart zu
investieren, um dann in Frankfurt zu verkaufen. Offensichtlich bringt das aber
nur dann etwas, wenn die Höhe des Arbitragegewinns größer ist als die gezahlten
Transaktionskosten. Es muss also ein sehr großer Geldbetrag eingesetzt werden. Für
den Händler selbst bieten solche Systeme durchaus Vorteile: Er muss nicht mehr
ständig hochkonzentriert selbst alle Daten analysieren, kann eher mal eine
Pause machen. Außerdem verhindert das Programm (indem es den vorher
festgelegten Regeln folgt), dass ein Händler gegen einen bestimmten Trend
innerhalb des Marktes handelt und damit Geld verliert.
Auf der anderen
Seite nimmt der computergestützte Handel durchaus teilweise krasse Formen an.
Vertippt sich z.B. ein Händler bei einer Order und verkauft eine deutlich
größere Position als geplant, führt das zu einem fallenden Kurs, der unter
Umständen zum Erkennen eines Trends bei den Programmen der anderen Händler
führen kann, die dann wiederum selbstständig – ohne menschliche Prüfung – die Aktie
verkaufen. Dies kann zu drastischen Abwärtsspiralen bei bestimmten Titeln
führen, ausgelöst durch einen Tippfehler eines Händlers. Beim
Hochfrequenzhandel kommt es sogar zu noch perverseren Konzepten: Da
offensichtlich jeder die Arbitragegewinne mitnehmen will, positionieren sich
Tradinggesellschaften mit ihren Rechnern so nah wie möglich an den Servern der
Börse, von denen die Kurse übermittelt werden, um die entscheidenden
Sekundenbruchteile im Vorteil gegenüber den Konkurrenten zu sein – denn wenn
eine Arbitrageposition genutzt wurde, steigt der Preis (um im vorigen Beispiel
zu bleiben) der Aktie in Stuttgart (da sie gekauft wurde) und der in Frankfurt
fällt (da sie verkauft wurde). Jetzt stehen beide Aktien z.B. bei 40,71€, kein
Arbitragegewinn ist mehr möglich. Deswegen kommt es so sehr auf die
Schnelligkeit beim Handeln an.
Und beim
Hochfrequenzhandel würde ich persönlich auch ansetzen: Klar, man nutzt die Unvollständigkeit
des Marktes aus (und ich würde das genauso machen, wenn ich es könnte), aber irgendwo
muss es die Grenze geben. Für mich liegt das aber hauptsächlich daran, dass
sich Arbitragemöglichkeiten aufgrund der Transaktionskosten nur für
Organisationen mit viel Kapital ergeben und deswegen nicht für die breite Öffentlichkeit
zugänglich sind.
Und zuletzt
möchte ich noch ein paar Worte an all diejenigen richten, die in ein
Finanzprodukt investieren, Verluste einfahren und dann später gegen diejenigen,
die ihnen die Produkte vermittelt haben, mit dem Argument „Ich habe das Produkt
nicht verstanden, ich wusste nicht, dass ich mein Geld verlieren kann“ klagen:
Augen auf, Freunde der Sonne! Es gibt nun einmal keine 11% Rendite ohne Risiko –
wenn es die gäbe, glaubt ihr, dass der Kerl, der das Produkt verkauft, noch
arbeiten würde? Nein, natürlich nicht. Und wenn ich nicht weiß, was für ein
Produkt der mir verkaufen will oder ich es nicht verstehe, dann kaufe ich es
nicht. Punkt. So einfach ist das. Wenn euch jemand auf der Straße anspricht und
euch ein Gerät verkaufen will, das euch „sicher zum Mond und wieder zur Erde
zurück bringt, ohne jegliches Risiko, alles in einer kleinen Box und für nur
199,95€“, dann würdet ihr doch wohl auch stutzig werden, oder? Hoffe ich
zumindest, ansonsten ist nämlich wirklich Hopfen und Malz verloren in dieser
Welt. Und genauso ist das eben bei Finanzprodukten auch: Man sollte sich nicht
von Verkäufersprüchen blenden lassen, sondern nachfragen, wie das Produkt
funktioniert, wann man welchen Gewinn und Verlust macht. Und wenn man das dann nicht
versteht, sollte man sich ein anderes Produkt anschauen.
Und
schlussendlich noch etwas für alle, die gegen die „Zockerbanken“ wettern und
ihr Geld auf dem Sparbuch bei der Sparkasse halten: Euer Sparbuch ist genauso
eine Wette wie jedes andere Finanzprodukt. Sorry, wenn ich euch da eure
Illusionen nehme, aber so ist es nun einmal, ihr gebt der Sparkasse (oder
Volksbank o.ä.) euer Geld und wettet, dass die nicht bankrott gehen und euch
also zurückzahlen können. Und das Risiko, dass die Rückzahlung doch ausfällt,
lasst ihr euch in Form der Zinsen, die ihr bekommt, bezahlen. Ihr wettet also
mit eurem Geld genauso wie jeder andere Mensch auch, der irgendwie mit Banken
interagiert.
Das war’s für den
Moment, wie gesagt, Kommentare sind hochgradig erwünscht.
Felix
Sparbücher bringen zusätzlich das Risiko der Unterverzinsung mit sich, wenn sie nicht flexibel verzinst sind.
AntwortenLöschenKomplett zu verbieten sind meiner Meinung nach Spekulation mit/ Investments in Agrarrohstoffe, soweit die jeweiligen Produkte den weltweiten Marktpreis beeinflussen können (was so ziemlich auf alle zutrifft). Bei höherem Interesse kann ich Dir meine Projektarbeit II zukommen lassen, die Ende September fertig ist. Nur so viel: fast jedes Produkt in diesem Bereich kann den Marktpreis beeinflussen, welcher +/- Wechselkurseffekte und Subventionen fast 1:1 Importpreis und lokalen Marktpreis in Entwicklungsländern darstellt. Problem sind nicht nur die ,,herkömmlichen'' börslichen und OTC-Spekulanten, sondern seit der Marktderegulierung 2000, als Positionslimits und Beschränkungen bzgl. der Geschäfte, die ein KI tätigen darf, größtenteils aufgehoben wurden, verstärkt private Klein- und institutionelle Großanleger über Indexfonds sowie Derivate, Zertifikate usw. Die Kapitalströme dieses neuen ,,Finanzmarktes'' für Getreide übertreffen bald die des spekulativen Handels. Der neue Markt ist aber dabei nicht von der Realwirtschaft entkoppelt, wie die interessierte Industrie natürlich behauptet, sondern nimmt durch Futures-Hinterlegung als Sicherheit (ETCs, bei Interesse Wikipedia) oder Index-gewichtete Futures-Long-Rollierung (siehe ETFs)direkten Einfluss auf den Terminpreis. Dieser wiederum gilt praktisch allen Landwirten als Orientierung, da es keine einheitlich und regelmäßig notierten Spotpreise und allgemein Spotbörsen gibt, wie sie im Terminbereich zu finden sind (CBOT, MATIF, EUREX). Letztendlich wird auch kein Landwirt seine Produkte günstiger als zum Terminpreis anbieten, da sonst anderen Teilnehmern Arbitragegewinne (->Wikipedia :D) möglich sind. Somit gleicht sich der Spotpreis (der letztendlich für den physischen Handel relevant ist) der Agrarrohstoffe zu zu 99% dem Terminpreis an. Empirische Untersuchungen konnten durch Vergleich der monatlichen Long-Positionen mit dem Termin- und Spotpreis nachweisen, dass die neue finanzialisierte und völlig vom realwirtschafltichen Interesse entkoppelte Spekulation und Investition für rund 20-35% der Agrarrohstoffpreisentwicklung verantwortlich ist. Den Rest ist zwar immer noch auf realwirtschaftliche ,,Fundamentalfaktoren'', wie Ölpreis, Wetter oder Verwendungskonkurrenz der Rohstoffe (beispielsweise werden 40% der Jahresernte in den USA zur Herstellung von Bioethanol genutzt) zurückzuführen, dennoch entstehen hier ohne Not maßlos überhöhte Preise. Beispiel: Preisspitze Erntejahr 07/08, als die Preise von Mais, Soja, Reis und Weizen innerhalb von wenigen Monaten um bis zu 200% anstiegen, drei Monate zuvor weit überhöhte Long-Positionen, seltsam oder???? Ich bin nicht grundsätzlich gegen den Abschluss von Termingeschäften, jedoch sollten sie nur in dem Rahmen stattfinden, wie es von Landwirten und damit von der Realwirtschaft benötigt wird (Preissicherung) und ja, dafür braucht man eine gewisse Anzahl an Spekulaten, die Risiko in Erwartung einer gegenläufigen Preisentwicklung eingehen. Was seit der Jahrtausendwende jedoch stattgefunden hat ist Profitgier auf Kosten der Allerärmsten. Die Weltbank schätze die Anzahl der durch Hungersnöte wegen Preissteigerung zusätzlich bedrohten Menschen 07/08 auf 200 Millionen. Zusätzlich, nicht insgesamt, denn derzeit hungern schon ca. 1 Milliarde Menschen weltweit. Dabei gibt es viele Alternativen zur Analge in diesem Sektor, die zwar von wachsendem Geschäft profitieren, aber keinen Einfluss auf den Weltmarktpreis ausüben können (Aktien von Verarbeitern/Produzenten/Großhändlern oder Venture Capital in Aufbauprojekte zur Stärkung des landwirtschaftlichen Sektors in Entwicklungsländern-> sogar nachhaltig). Hoffe das hier stößt auf Interesse, denn es ist ein hochbrisantes Theme. Gruß Lennart
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