Freitag, 17. August 2012

Kapitalismus und Finanzmärkte - teuflisch, oder?


Heute geht’s mal auf Deutsch weiter hier in dem Blog - muss auch mal sein. Heute wird’s übrigens auch ein wenig politischer bzw. es geht Richtung Wirtschaft. Wer also eine Meinung hat, die mit meiner nicht oder nur in Teilen übereinstimmt: Schreibt mir, ich will debattieren!

Zum Thema: Es geht um Kapitalismus und Finanzmärkte. Für alle, die sich fragen, warum ich darüber schreibe – naja, ich bin halt doch studiengangmäßig vorgeprägt in die Richtung. Und das Thema ist einfach verdammt komplex und interessant. Was also ist Kapitalismus erst einmal? Wenn wir bei Marx nachlesen, zeichnet sich der Kapitalismus durch ein Zwei-Klassen-System aus, in dem die Bourgeoisie („Kapitalisten“) das Kapital besitzt und das Proletariat („Arbeiterklasse“), das die Arbeitskraft besitzt, ausbeutet. Nach Marx wird dieses Gesellschaftssystem schließlich dazu führen, dass sich das Proletariat gegen die Bourgeoisie wendet und es zum „Klassenkampf“ kommt, was den Kapitalismus im Endeffekt zu seinem eigenen Totengräber macht, da dieser quasi seine eigene Zerstörung schafft. Soviel zur (sehr kurz zusammengefassten) Theorie von Marx.
Weiterhin zeichnet sich der „Grad“ des vorhandenen Kapitalismus dadurch aus, wie frei auf Märkten operiert werden kann – je freier die Märkte, desto höher der Grad des Kapitalismus. Für alle Nicht-Ökonomen unter meinen Lesern sei an dieser Stelle gesagt: „Die Märkte“ oder „der Markt“ bezeichnen/t einen Ort, an dem Angebot und Nachfrage aufeinander treffen und es zum Handel von knappen Gütern kommt. Märkte erfüllen unter anderem eine Preisbildungsfunktion und Allokationsfunktion sowie die Erschaffung von Produzenten- und Konsumentenrenten, wobei letztere – kurz gesagt – den Nutzen für Konsumenten und Produzenten ausdrücken, die ein Gut für einen Preis über dem Marktpreis gekauft oder unter dem Marktpreis produziert hätten. Insgesamt gesehen sind Märkte also der vermutlich essentiellste Bestandteil des Kapitalismus, da sie erst zur Verteilung von Gütern und dem Entstehen von Profit führen. An dieser Stelle sei einer meiner Dozenten sinngemäß zitiert: „Wenn es keine Märkte gäbe, man müsste sie erfinden, so großartig sind sie.“

Wie wir also gerade eben gesehen haben, ist der Kapitalismus laut Marx also etwas Böses, das es zu vermeiden gilt, da er sich selbst auslöschen wird und zu einer Phase der Instabilität führen wird. Auf der anderen Seite ist da die Beschreibung der Märkte, deren Preisbildungs- und Allokationsfunktion sowie die Schaffung von Renten für Produzenten wie Konsumenten in einem kommunistischen System außer Kraft gesetzt werden – schließlich gibt es kein privates Produktionskapital mehr und dementsprechend z.B. auch keine Produzenten, die für einen günstigeren Preis als den Marktpreis ihre Güter anbieten würden, weil sie z.B. effizienter arbeiten als andere Firmen. Hier bietet sich also ein Zwiespalt zwischen Marx‘ Theorie und der Theorie, dass Märkte etwas Gutes sind. Was aber ist „korrekt“? Meiner Antwort auf diese Frage lautet: Wir werden es nie wissen! Ich weiß, dass viele an dieser Stelle ein Statement Richtung „Marx kann man in die Tonne kloppen“ erwartet haben, aber nein, ganz so extrem kann und will ich das nicht sehen. Ich meine, ja, ich bin ein extremer Kapitalismus-Befürworter, aber wer weiß? Marx sagt ja, dass es „schlussendlich“ zum Klassenkampf und der Zerstörung des Kapitalismus kommen wird. Wann ist „schlussendlich“? (Oder für manch anderen ausgedrückt: Wie lang ist der Longrun?) Wir wissen es nicht. Vielleicht hat der alte Mann ja doch Recht. Trotzdem sehe ich die „kurzfristigen“ (selbe Frage, eine wie lange Zeitspanne kann man noch „kurzfristig“ nennen?) Effekte des Kapitalismus mehr als positiv. Im Prinzip könnte man es auf die einfache Gleichung „größere Produzenten- & Konsumentenrente = größere Gesamtwohlfahrt“ herunterbrechen. Durch das Bestehen von freien Märkten im Kapitalismus entstehen positive Effekte für die gesamte Gesellschaft, ganz im Sinne von Adam Smiths „unsichtbarer Hand“, einer Theorie, die im Grunde besagt, dass ein egoistisches Verhalten der Marktteilnehmer für eine Verbesserung der Situation für alle führt – z.B. backt ein Bäcker keine Brötchen, weil ihm gerade danach ist, sondern weil er damit persönlich Profit machen will. Gleichzeit versorgt er damit aber die anderen Menschen mit Brötchen und schafft damit eine erweiterte Nahrungsvielfalt. Dementsprechend bin ich der Meinung, dass Märkte (mit ein paar wenigen Einschränkungen) so frei wie nur möglich sein sollten.

An dieser Stelle wollen vermutlich einiger meiner eher links geprägten Freunde einhaken, dass „zu freie“ Märkte zu einer „hire & fire“-Kultur wie in den USA führen können und dass freie (Arbeits-)Märkte zur Ausbeutung von Arbeitern und zu unnötigen Kündigungen führen, die nur dazu da sind, um den Profit der Firmen zu erhöhen. Weiterhin werden einige argumentieren, dass Märkte reguliert werden müssen, um Monopole oder Preisabsprachen zu verhindern oder externe Effekte zu internalisieren. Letzterem Punkt möchte ich übrigens zustimmen, obwohl ich nicht gerade besonders "grün" bin, sollten Firmen, die besonders hohe Mengen an Schadstoffen ausstoßen auch an den Kosten für die Umwelt beteiligt werden.

Abschließend möchte ich also festhalten, dass für mich die positiven Effekte freier Märkte überwiegen, auch wenn es – gerade im Bereich Umweltpolitik – Bedarf gibt, in die Märkte einzugreifen. Kapitalismus ist also keineswegs „die Wurzel alles Bösen“ oder ähnliches, vielmehr ist es das vermutlich effizienteste Wirtschaftssystem, das die Welt aktuell kennt.


Spezialgebiet Finanzmärkte


Jetzt aber zum anderen Thema dieses Eintrags: Finanzmärkte. Wie oben erwähnt, bin ich ein Fan freier Märkte. Gerade die Finanzmärkte sind seit 2008 aber stark unter Beschuss geraten und viele der Politiker, von denen man es erwarten würde (in anderen Worten, aus dem roten Bereich), fordern überaus strikte Regeln für das Verhalten von u.a. Banken, Versicherungen und Hedgefonds. Der Krieg gegen die „bösen Spekulanten“ und „Heuschrecken“ wird von links mit ziemlich offenem Visier geführt. Allerdings mehren sich auch in Parteien wie z.B. der CDU die Stimmen, die sagen „So kann es nicht weitergehen.“ Wobei auch hier immer die Frage im Raum steht, ob das wirklich die Meinung der Politiker wiedergibt oder ob da doch nur dem Wähler nach dem Mund geredet wird.

Stimmt das aber wirklich, macht es Sinn, z.B. bestimmte Finanzprodukte, Akteure oder Handelsarten zu verbieten? Ich finde: Größtenteils nein. Naja, ein Beispiel gibt es, das ich einfach geschmacklos fand, nämlich als ein Finanzprodukt auf die Lebenserwartung bestimmter Personen in einer Testgruppe angeboten wurde. Aber sonst? Schauen wir uns einmal ein paar Beispiele an.

Leerverkäufe: Gerne wird von Politikern ein Verbot von Leerverkäufen von Aktien gefordert. Bei Aktien-Leerverkäufen leiht sich ein Marktteilnehmer, der auf fallende Kurse setzt, Aktien von einem anderen Marktteilnehmer, der die Aktien dieser Firma besitzt. Diese geliehenen Aktien verkauft der Leerverkäufer dann zum aktuellen Kurs, z.B. 100€. Zu einem späteren Zeitpunkt muss er die Aktien an denjenigen, der ihm die Aktien geliehen hat, zurückgeben, dafür muss er also wieder Aktien kaufen. Hatte er Recht und der Kurs ist auf z.B. 80€ gefallen, macht er einen Profit von 100-80=20€ abzüglich der Prämie, die er für das Ausleihen der Aktien gezahlt hat. Steigt dagegen der Kurs auf 120€ muss er einen Verlust von 20€ plus der Prämie hinnehmen.
Kritiker sagen, Leerverkäufe würden die Preise der Aktien künstlich drücken und deshalb sollte man sie verbieten. Kurzfristig mag das auch stimmen, allerdings gilt es folgendes zu bedenken: Am Ende der Ausleihfrist müssen die Aktien ja auch wieder gekauft werden, um den Vertrag mit dem Verleiher erfüllen zu können, wodurch der Preis wieder steigt. Der Effekt der fallenden Preise ist also nur von temporärer Natur.

Hedgefonds: Sie stehen gerne im Zentrum der Kritik, da sie in fast jedem eintretenden Fall zu Sündenböcken gemacht werden können. Zur Einordnung zunächst eine kurze Erläuterung: Hedgefonds sind Investmentfonds, die ihr Geld allerdings nicht –im Vergleich zu den „normalen“ Fonds, die man bei Sparkassen und ähnlichem angeboten bekommt – nur in Aktien, Anleihen und Devisen anlegen, sondern auch derivative Finanzprodukte benutzen, um zum einen Risiken abzusichern (englisch „to hedge“, ergo Hedgefonds) und zum anderen über Fremdfinanzierung Hebelwirkungen zu erzielen, die zu höheren Renditechancen, aber auch Risiken führen. Verlieren Hedgefonds also Geld, wird gerne ein zu hohes Risiko angeprangert („Das musste ja schiefgehen“), verdienen sie Geld, wird kritisiert, dass sie Finanzprodukte benutzen, die kein Mensch versteht und – besonders in Phasen, in denen Hedgefonds bei fallenden Märkten Geld machen – dass sie ihr Geld mit „Finanzwetten“ auf dem Rücken der Firmen aus der Realwirtschaft machen. Egal wie das Geschäft für einen Hedgefonds also läuft, schlechte Presse ist ihm immer gewiss. Außerdem werden Hedgefondsmanager gerne für ihre üppigen Gehälter kritisiert, dabei ist gerade das für mich der Hauptgrund, in einen Hedgefonds zu investieren: Wenn ein Hedgefonds Verlust macht, fällt eine deutlich kleinere Managementgebühr an als bei anderen Investmentfonds, diejenige bei Gewinn ist allerdings deutlich höher – damit haben die Manager selbst das größte Interesse daran, dass der Hedgefonds profitabel ist und Gewinn macht und werden nie den Fonds einfach „laufen lassen“ wie man es vielleicht bei anderen Fonds vermuten könnte, die eine fixe jährliche Managementgebühr verlangen.
Sollte man also Hedgefonds verbieten? Ich finde nicht, schließlich sind sie im Prinzip nur eine weitere Möglichkeit, sein Geld anzulegen. Wem das Investieren in Derivate zu spekulativ ist, der kann ja immer noch einen Sparkassen-Fonds wählen. (Davon abgesehen, dass die Mindestinvestition in einen Hedgefonds es für die meisten Normalsterblichen unmöglich macht, dort überhaupt Geld anzulegen)

Computerbasierte Handelssysteme und Hochfrequenzhandel: Hierbei geht es um Software, die in Kursverläufen von z.B. Aktien nach bestimmten Mustern sucht und dementsprechend selbstständig diese Papiere kauft und verkauft ohne dass ein Mensch diese Aktionen auslösen oder bestätigen muss. Außerdem wird nach sogenannten „Arbitragemöglichkeiten“ gesucht. Wird also eine Aktie z.B. an der Börse Stuttgart für r40,70€ gehandelt und an der Börse Frankfurt für 40,72€, macht es Sinn, in Stuttgart zu investieren, um dann in Frankfurt zu verkaufen. Offensichtlich bringt das aber nur dann etwas, wenn die Höhe des Arbitragegewinns größer ist als die gezahlten Transaktionskosten. Es muss also ein sehr großer Geldbetrag eingesetzt werden. Für den Händler selbst bieten solche Systeme durchaus Vorteile: Er muss nicht mehr ständig hochkonzentriert selbst alle Daten analysieren, kann eher mal eine Pause machen. Außerdem verhindert das Programm (indem es den vorher festgelegten Regeln folgt), dass ein Händler gegen einen bestimmten Trend innerhalb des Marktes handelt und damit Geld verliert.
Auf der anderen Seite nimmt der computergestützte Handel durchaus teilweise krasse Formen an. Vertippt sich z.B. ein Händler bei einer Order und verkauft eine deutlich größere Position als geplant, führt das zu einem fallenden Kurs, der unter Umständen zum Erkennen eines Trends bei den Programmen der anderen Händler führen kann, die dann wiederum selbstständig – ohne menschliche Prüfung – die Aktie verkaufen. Dies kann zu drastischen Abwärtsspiralen bei bestimmten Titeln führen, ausgelöst durch einen Tippfehler eines Händlers. Beim Hochfrequenzhandel kommt es sogar zu noch perverseren Konzepten: Da offensichtlich jeder die Arbitragegewinne mitnehmen will, positionieren sich Tradinggesellschaften mit ihren Rechnern so nah wie möglich an den Servern der Börse, von denen die Kurse übermittelt werden, um die entscheidenden Sekundenbruchteile im Vorteil gegenüber den Konkurrenten zu sein – denn wenn eine Arbitrageposition genutzt wurde, steigt der Preis (um im vorigen Beispiel zu bleiben) der Aktie in Stuttgart (da sie gekauft wurde) und der in Frankfurt fällt (da sie verkauft wurde). Jetzt stehen beide Aktien z.B. bei 40,71€, kein Arbitragegewinn ist mehr möglich. Deswegen kommt es so sehr auf die Schnelligkeit beim Handeln an.
Und beim Hochfrequenzhandel würde ich persönlich auch ansetzen: Klar, man nutzt die Unvollständigkeit des Marktes aus (und ich würde das genauso machen, wenn ich es könnte), aber irgendwo muss es die Grenze geben. Für mich liegt das aber hauptsächlich daran, dass sich Arbitragemöglichkeiten aufgrund der Transaktionskosten nur für Organisationen mit viel Kapital ergeben und deswegen nicht für die breite Öffentlichkeit zugänglich sind.

Und zuletzt möchte ich noch ein paar Worte an all diejenigen richten, die in ein Finanzprodukt investieren, Verluste einfahren und dann später gegen diejenigen, die ihnen die Produkte vermittelt haben, mit dem Argument „Ich habe das Produkt nicht verstanden, ich wusste nicht, dass ich mein Geld verlieren kann“ klagen: Augen auf, Freunde der Sonne! Es gibt nun einmal keine 11% Rendite ohne Risiko – wenn es die gäbe, glaubt ihr, dass der Kerl, der das Produkt verkauft, noch arbeiten würde? Nein, natürlich nicht. Und wenn ich nicht weiß, was für ein Produkt der mir verkaufen will oder ich es nicht verstehe, dann kaufe ich es nicht. Punkt. So einfach ist das. Wenn euch jemand auf der Straße anspricht und euch ein Gerät verkaufen will, das euch „sicher zum Mond und wieder zur Erde zurück bringt, ohne jegliches Risiko, alles in einer kleinen Box und für nur 199,95€“, dann würdet ihr doch wohl auch stutzig werden, oder? Hoffe ich zumindest, ansonsten ist nämlich wirklich Hopfen und Malz verloren in dieser Welt. Und genauso ist das eben bei Finanzprodukten auch: Man sollte sich nicht von Verkäufersprüchen blenden lassen, sondern nachfragen, wie das Produkt funktioniert, wann man welchen Gewinn und Verlust macht. Und wenn man das dann nicht versteht, sollte man sich ein anderes Produkt anschauen.
Und schlussendlich noch etwas für alle, die gegen die „Zockerbanken“ wettern und ihr Geld auf dem Sparbuch bei der Sparkasse halten: Euer Sparbuch ist genauso eine Wette wie jedes andere Finanzprodukt. Sorry, wenn ich euch da eure Illusionen nehme, aber so ist es nun einmal, ihr gebt der Sparkasse (oder Volksbank o.ä.) euer Geld und wettet, dass die nicht bankrott gehen und euch also zurückzahlen können. Und das Risiko, dass die Rückzahlung doch ausfällt, lasst ihr euch in Form der Zinsen, die ihr bekommt, bezahlen. Ihr wettet also mit eurem Geld genauso wie jeder andere Mensch auch, der irgendwie mit Banken interagiert.


Das war’s für den Moment, wie gesagt, Kommentare sind hochgradig erwünscht.

Felix

2 Kommentare:

  1. Sparbücher bringen zusätzlich das Risiko der Unterverzinsung mit sich, wenn sie nicht flexibel verzinst sind.

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  2. Komplett zu verbieten sind meiner Meinung nach Spekulation mit/ Investments in Agrarrohstoffe, soweit die jeweiligen Produkte den weltweiten Marktpreis beeinflussen können (was so ziemlich auf alle zutrifft). Bei höherem Interesse kann ich Dir meine Projektarbeit II zukommen lassen, die Ende September fertig ist. Nur so viel: fast jedes Produkt in diesem Bereich kann den Marktpreis beeinflussen, welcher +/- Wechselkurseffekte und Subventionen fast 1:1 Importpreis und lokalen Marktpreis in Entwicklungsländern darstellt. Problem sind nicht nur die ,,herkömmlichen'' börslichen und OTC-Spekulanten, sondern seit der Marktderegulierung 2000, als Positionslimits und Beschränkungen bzgl. der Geschäfte, die ein KI tätigen darf, größtenteils aufgehoben wurden, verstärkt private Klein- und institutionelle Großanleger über Indexfonds sowie Derivate, Zertifikate usw. Die Kapitalströme dieses neuen ,,Finanzmarktes'' für Getreide übertreffen bald die des spekulativen Handels. Der neue Markt ist aber dabei nicht von der Realwirtschaft entkoppelt, wie die interessierte Industrie natürlich behauptet, sondern nimmt durch Futures-Hinterlegung als Sicherheit (ETCs, bei Interesse Wikipedia) oder Index-gewichtete Futures-Long-Rollierung (siehe ETFs)direkten Einfluss auf den Terminpreis. Dieser wiederum gilt praktisch allen Landwirten als Orientierung, da es keine einheitlich und regelmäßig notierten Spotpreise und allgemein Spotbörsen gibt, wie sie im Terminbereich zu finden sind (CBOT, MATIF, EUREX). Letztendlich wird auch kein Landwirt seine Produkte günstiger als zum Terminpreis anbieten, da sonst anderen Teilnehmern Arbitragegewinne (->Wikipedia :D) möglich sind. Somit gleicht sich der Spotpreis (der letztendlich für den physischen Handel relevant ist) der Agrarrohstoffe zu zu 99% dem Terminpreis an. Empirische Untersuchungen konnten durch Vergleich der monatlichen Long-Positionen mit dem Termin- und Spotpreis nachweisen, dass die neue finanzialisierte und völlig vom realwirtschafltichen Interesse entkoppelte Spekulation und Investition für rund 20-35% der Agrarrohstoffpreisentwicklung verantwortlich ist. Den Rest ist zwar immer noch auf realwirtschaftliche ,,Fundamentalfaktoren'', wie Ölpreis, Wetter oder Verwendungskonkurrenz der Rohstoffe (beispielsweise werden 40% der Jahresernte in den USA zur Herstellung von Bioethanol genutzt) zurückzuführen, dennoch entstehen hier ohne Not maßlos überhöhte Preise. Beispiel: Preisspitze Erntejahr 07/08, als die Preise von Mais, Soja, Reis und Weizen innerhalb von wenigen Monaten um bis zu 200% anstiegen, drei Monate zuvor weit überhöhte Long-Positionen, seltsam oder???? Ich bin nicht grundsätzlich gegen den Abschluss von Termingeschäften, jedoch sollten sie nur in dem Rahmen stattfinden, wie es von Landwirten und damit von der Realwirtschaft benötigt wird (Preissicherung) und ja, dafür braucht man eine gewisse Anzahl an Spekulaten, die Risiko in Erwartung einer gegenläufigen Preisentwicklung eingehen. Was seit der Jahrtausendwende jedoch stattgefunden hat ist Profitgier auf Kosten der Allerärmsten. Die Weltbank schätze die Anzahl der durch Hungersnöte wegen Preissteigerung zusätzlich bedrohten Menschen 07/08 auf 200 Millionen. Zusätzlich, nicht insgesamt, denn derzeit hungern schon ca. 1 Milliarde Menschen weltweit. Dabei gibt es viele Alternativen zur Analge in diesem Sektor, die zwar von wachsendem Geschäft profitieren, aber keinen Einfluss auf den Weltmarktpreis ausüben können (Aktien von Verarbeitern/Produzenten/Großhändlern oder Venture Capital in Aufbauprojekte zur Stärkung des landwirtschaftlichen Sektors in Entwicklungsländern-> sogar nachhaltig). Hoffe das hier stößt auf Interesse, denn es ist ein hochbrisantes Theme. Gruß Lennart

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